Liebe Freunde,
in einer Zeit, in der die Welt sich zunehmend in den Strukturen moderner Demokratien bewegt, scheint die Rolle der Religion oft im Schatten der Rationalität zu stehen. Doch das Fundament vieler Gesellschaften, selbst in den am weitesten entwickelten Nationen, ist tief verwurzelt in religiösen Werten. Diese Werte, obwohl nicht immer direkt erkennbar, formen die moralischen und ethischen Grundsätze, auf denen politische Entscheidungen beruhen.
In der Geschichte der Menschheit war Religion oft der Kompass, der das kollektive Gewissen lenkte. Die zehn Gebote des Christentums, die Lehren Buddhas, die Weisheit des Korans oder die Gebote des Dharma – all dies sind spirituelle Pfeiler, die dem menschlichen Zusammenleben einen Rahmen geben. Selbst die großen Denker der Aufklärung, die die Basis für moderne Demokratien legten, schöpften ihre ethischen Ideale nicht selten aus den Tiefen religiöser Überlieferungen. Kant, dessen kategorischer Imperativ eng mit der christlichen Nächstenliebe verwoben ist, beschrieb die Pflicht, den Menschen als Zweck und nie als Mittel zu betrachten. Diese Philosophie ist ein Spiegel der goldenen Regel Jesu: „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut auch ihr ihnen“ (Matthäus 7,12).
In der modernen Demokratie sind religiöse Werte oft unsichtbare Begleiter politischer Entscheidungen. Sie wirken nicht primär durch dogmatische Strukturen, sondern durch die tief im Volk verankerten Vorstellungen von Gerechtigkeit, Nächstenliebe und Verantwortungsbewusstsein. Ein Politiker, der für den Schutz der Schwachen eintritt, für soziale Gerechtigkeit kämpft oder sich für die Erhaltung der Schöpfung einsetzt, ist oft, bewusst oder unbewusst, von religiösen oder spirituellen Idealen geprägt.
Ein Beispiel hierfür ist der Kampf gegen den Klimawandel. Papst Franziskus hat in seiner Enzyklika Laudato Si‘ eine deutliche Verbindung zwischen dem Schutz der Umwelt und der Verantwortung des Menschen gegenüber der Schöpfung hergestellt. Diese Botschaft fand Resonanz nicht nur in religiösen Gemeinschaften, sondern auch in der globalen politischen Landschaft. Religiöse Werte, wie das Bewusstsein für die Natur als heiliges Geschenk, können so weltweite Bewegungen inspirieren, die weit über konfessionelle Grenzen hinausgehen.
Gleichzeitig dürfen wir nicht vergessen, dass in pluralistischen Gesellschaften die Balance zwischen religiöser Überzeugung und säkularer Politik eine Herausforderung darstellt. Wenn religiöse Werte zu dogmatischen Instrumenten werden, die Vielfalt unterdrücken, verlieren sie ihre moralische Kraft und können zu Spaltung führen. Demokratie lebt von der Vielfalt der Stimmen und Ansichten, und diese müssen respektvoll miteinander in Einklang gebracht werden, wie es der Dalai Lama betont: „Die Religion ist für den Einzelnen, das Gesetz für die Gesellschaft.“
Letztlich zeigt uns die Geschichte, dass Demokratie und Religion keine Widersacher sind, sondern sich ergänzen können. Eine Demokratie, die auf moralischen Grundsätzen basiert, gibt Raum für den Dialog zwischen verschiedenen Weltanschauungen, spirituellen Überzeugungen und rationalen Überlegungen. Dies erfordert Demut, eine Tugend, die in vielen Religionen hochgehalten wird. Der Weg der Weisheit, so lehrt uns Laozi im Tao Te King, liegt darin, das „Herz der Menschheit“ zu nähren, ohne zu erzwingen. Hier zeigt sich die Möglichkeit, wie Religion in einer Demokratie wirken kann: als leiser, aber starker Strom, der das kollektive Gewissen formt.
Möge unsere Zeit erkennen, dass wahre Demokratie aus der Weisheit entspringt, die sowohl in den Tiefen der Religion als auch in der Klarheit der Vernunft ruht. Die größte Herausforderung bleibt, den Frieden zwischen den Stimmen der Vielfalt zu bewahren und die Einheit in der Menschlichkeit zu fördern.Der tägliche Konsum der Nachrichten stellt uns vor die Herausforderung, eine Balance zu finden – informiert zu sein, ohne überwältigt zu werden, engagiert zu bleiben, ohne unsere innere Ruhe zu verlieren.
„Ich wünsche Euch Licht, Einheit und Erfüllung.”