Liebe Freunde,
das Mysterium des Lebens nach dem Tod ist eine Frage, die seit Jahrtausenden das Herz der Menschheit bewegt und unseren Geist in unbekannte Tiefen des Daseins führt. Kaum ein Mensch, der sich mit dieser Frage nicht schon konfrontiert sah, besonders in jenen stillen, einsamen Momenten, wenn wir den Sinn des Lebens selbst zu ergründen suchen. So schrieb der römische Philosoph Seneca, dass „der Tod kein Übel ist, weil er das Ende all unserer Übel ist.“ Und doch bleibt der Tod in unserer Vorstellung oft ein Übergang, ein Tor – eine Schwelle, hinter der das Unaussprechliche und Unfassbare liegt.
Viele Kulturen und Religionen haben uns ein Bild dieses Übergangs überliefert. Im Christentum sehen wir das Versprechen der Auferstehung, in der Gott die Menschheit zu sich ruft, zu einem Leben in ewiger Gemeinschaft. Dies ist ein Bild der Hoffnung, das zeigt, dass das Leben nicht vergebens ist, sondern in einem größeren Plan aufgeht. Jesus sprach davon, dass das Himmelreich „nicht von dieser Welt“ ist (Johannes 18:36) – ein Reich jenseits des Irdischen, das unsere körperlichen und mentalen Schranken überwindet. Im Buddhismus hingegen begegnen wir dem Konzept der Wiedergeburt, einem Kreislauf des Lebens, in dem wir uns durch jedes Leben weiterentwickeln, uns reinigen, lernen und wachsen, bis wir die Erleuchtung erreichen und schließlich ins Nirwana eintreten, in das Nichts, das Freiheit von allen weltlichen Leidenschaften bedeutet.
Betrachtet man die Wissenschaft, so scheint der Tod das endgültige Ende des individuellen Bewusstseins zu sein. Doch auch hier gibt es Stimmen wie den Physiker David Bohm, die sich vorstellen, dass Bewusstsein auf einer tieferen, universellen Ebene existiert. Es ist, als wäre unser individuelles Leben nur eine Welle im unendlichen Ozean des Seins, die aufsteigt und dann wieder in das Ganze zurückkehrt. Wenn der Tropfen ins Meer zurückkehrt, verliert er seine Form, aber nicht sein Wesen.
Dies führt uns zu einer zentralen Frage: Wenn das Leben nach dem Tod existiert, wie soll es aussehen? Und wenn nicht – wie wollen wir dann das Leben selbst betrachten? Die tibetischen Meister lehren uns, dass jede Minute des Lebens als eine Vorbereitung auf den Tod betrachtet werden kann, dass jede Erfahrung, ob freudvoll oder schmerzhaft, uns den Übergang erleichtern kann, indem sie uns an die Vergänglichkeit des Irdischen erinnert und uns für das Ewige sensibilisiert. „Das Leben ist ein Traum, der Tod das Erwachen“, so lautet ein Sprichwort im Zen-Buddhismus, das uns einlädt, im Jetzt zu leben und zu erkennen, dass vielleicht alles, was wir für wirklich halten, nur ein Schleier ist, der sich eines Tages heben wird.
Was bleibt uns also? Die Einladung, das Leben als eine Reise zu begreifen, die uns vielleicht auf ein Wiedersehen vorbereitet, vielleicht aber auch auf eine stille Heimkehr ins Einssein allen Seins. In dieser Sichtweise gibt es keinen Tod – nur Wandlung. Wenn wir lernen, unser Leben bewusst zu leben und liebevoll zu handeln, ist der Tod kein Feind, sondern ein Tor zur Unendlichkeit.
Liebe Freunde, mögen wir den Tod nicht fürchten, sondern das Leben in seiner Tiefe erfahren, bis wir selbst zur Antwort werden.
„Ich wünsche Euch Licht, Einheit und Erfüllung.”